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Besichtigung der JVA Rosdorf Abteilung Offener Jugendvollzug Göttingen


am 27.04.2007

Die Mitglieder und Gäste haben dieses Jahr auch wieder eine interessante Unternehmung gestartet. Diesmal konnte der offene Jugendstrafvollzug in Göttingen – eine Abteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf – besichtigt werden. Zur Einführung wurden wir durch Herrn Burkhard Deiseroth über den Strafvollzug selbst, sowie über die Qualifizierungschancen der jugendlichen Straftäter informiert. Herr Deiseroth ist als Handwerksmeister in der Funktion eines Ausbilders für den Beruf des Schlossers in der Jugendanstalt tätig. Insbesondere wurden durch die Ausführungen 3 Schwerpunktfragen beantwortet.

  1. Was ist der offene Strafvollzug ?

    Der offene Strafvollzug ist in § 10 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes definiert.

    Ein Gefangener soll mit seiner Zustimmung in eine Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde.

    Um diesen Grundsatz zu gewährleisten, prüft die Abteilung Offener Jugendvollzug Göttingen, welche als eine Einrichtung des Landes Niedersachen fungiert, ob die jugendlichen Straftäter für den offenen Vollzug geeignet sind.

    Eine in dieser Anstalt zu verbüßende Haftstrafe darf hierbei die Dauer von 3 Jahren und 6 Monate nicht überschreiten. Ein weiteres Haftkriterium stellt der sogenannte Erstverbüßer dar. Dabei handelt es sich um eine jugendlich heranwachsende Person, die erstmals eine Jugendhaftstrafe zu verbüßen hat. Rückfalltäter oder auch Mehrfachtäter erfüllen diese Eingangsvoraussetzung für den offenen Vollzug in Göttingen nicht. Auch verbüßen keine drogenabhängigen Personen, Sexualstraftäter oder Brandstifter eine Haftstrafe in dem offenen Jugendstrafvollzug in Göttingen, weil deren Resozialisierung besondere Betreuungsschwerpunkte enthält, welche hier im Hinblick auf die anderen Inhaftierten nicht erreicht werden können.

    Der Aufnahmebereich entscheidet daher nach diesen Kriterien über den Verbleib im offenen Vollzug oder über eine Verlegung in den geschlossenen Vollzug in die Jugendanstalt in Hameln.

  2. Wie werden die jugendlichen Straftäter an die Resozialisierung herangeführt ?

    Für die jugendlichen Erstverbüßer einer Jugendstrafe ohne Bewährung wird ein entsprechender Betreuungsplan erarbeitet, damit deren Wiedereingliederung nach Haftentlassung in das gesellschaftliche Leben erreicht werden kann.

    Auf dem Gelände des offenen Jugendstrafvollzuges Göttingen befinden sich auf einer Fläche von ca. 16 Hektar die Vollzugsabteilungen, die Werkhallen der 6 Ausbildungseinrichtungen sowie Sport- und Freizeitgebäude sowie weitere Nebengebäude.

    Die angrenzende Jugendarrestanstalt ist eine eigenständige Anstalt. Sie wird von der offenen Jugendstrafanstalt nur personell und logistisch unterstützt. Die Jugendlichen wohnen in Wohngruppen. Diese sollen dem Jugendlichen ein Maß an Selbstverantwortung erlauben. Die einzelnen Wohngruppen werden in sehr intensiv betreuten Einheiten über Selbstversorger- und Freigängergruppen unterteilt. Ebenfalls nehmen die Inhaftierten an schulischen und beruflichen Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen teil. Dieses Angebot der Qualifizierung hat das Ziel, dem Jugendlichen bessere Möglichkeiten nach der Haft auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln. Für diesen Zweck befinden sich auf dem Gelände des offenen Jugendstrafvollzuges eine interne Schule, Ausbildungswerkstätten in den Handwerksrichtungen Metall, Holz, Malerei/Lackiererei und Bau sowie Landschaftsbau/Gärtnerei und Gastronomie. In dem Sport- und Freizeitbereich sollen bei den jugendlichen Straftätern Interessen geweckt und Erfahrungen vermittelt werden. Diese Aktivitäten sollen „Langeweile“ vermeiden, um ggf. schädliche Neigungen nicht anwachsen zu lassen.

    Diese Erziehungsvarianten scheitern jedoch oftmals an dem fehlenden Einsichtvermögen des Jugendlichen und dessen Willen dauerhaft straffrei zu bleiben.

    Die statistischen Auswertungen aller jugendlichen Straftäter besagen, dass die Chance bei einem Jugendlichen über 25 Jahren straffrei zu bleiben nur besteht, wenn dieser bis zu diesem Lebensalter aus seinen Fehlern gelernt hat.

    Nach Auffassung von Herrn Deiseroth wird es immer schwerer, „passende“ Jugendliche für den offenen Strafvollzug zu bekommen, da immer weniger die Aufnahmekriterien erfüllen. Dieses liegt vor allem in dem Versagen der Jugendlichen bei einer Unterbringung im offenen Strafvollzug, da diese die entsprechenden Regeln nicht einhalten und bei einem Regelverstoß eine Verlegung in eine geschlossene Anstalt erfolgt.

    Trotz einiger Misserfolge sind die Haftbedingungen eines offenen Vollzuges im Gegensatz zu einem geschlossenem Vollzug grundsätzlich besser geeignet, ein Leben in sozialer Verantwortung zu führen. Für das Verbleiben auf dem Territorium des offenen Jugendstrafvollzuges in Göttingen werden neben diesen Beschäftigungsangeboten auch ideologische Schranken und Regeln aufgebaut, an denen sich die Inhaftierten halten müssen. Es wird „eine Mauer“ im Kopf der Jugendlichen aufgebaut um die Regeleinhaltung zu erreichen. Ein Regelversagen bedeutet je nach Schwere des Verstoßes weitere Einschränkungen von Rechten neben dem bisherigen Rechtsentzuges der Freiheit. Jeder inhaftierte Jugendliche hat Anspruch auf 1,75 Tage Urlaub im Monat.

  3. Über welche Belegungsgröße und über welche geschichtliche Entwicklung verfügt der offene Jugendvollzug Göttingen ?

    Der offene Jugendvollzug in Göttingen umfasst 125 Plätze. Derzeit sind 80 Plätze belegt. Das Gelände in Göttingen ist nicht von einer Mauer oder mit Gittern umzogen. Auch sind nicht alle Fenster vergittert. In dem Jugendvollzug Göttingen befinden sich nur männliche Straftäter. Das Durchschnittsalter dieser Inhaftierten beträgt 18 Jahre mit der Tendenz zu immer jünger werdenden Gefangenen. Weibliche Jugendstraftäter werden in der Justizvollzugsanstalt in Vechta untergebracht.

    Die Jugendlichen in dem offenen Vollzug Göttingen werden durch insgesamt 2 Psychologen betreut.

    In den Gebäuden des offenen Jugendvollzugs wurde bis 1982 ein Landesjugendheim für schwer erziehbare Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahre betrieben. Ab dem Jahr 1982 wurde der offene Jugendvollzug von der Justizverwaltung des Landes Niedersachsen eingerichtet. Der offene Jugendvollzug ist eine selbständig arbeitende Abteilung der Justizvollzugsanstalt Rosdorf, deren Neubau Mitte des Jahres 2007 fertiggestellt sein wird.

Nachdem diese Erläuterungen den anwesenden Zuhörern dargelegt wurden und Fragen den Vortragenden zu immer mehr Informationen veranlassten, begann anschließend die Besichtigung, in welcher die dargelegten Fakten anschaulich betrachtet werden konnten.

Während des Rundgangs, auch im Bereich des Jugendarrestes und im Bereich der Untersuchungshaft sowie in den Wohnräumen der Inhaftierten selbst, wurden immer wieder Fragen der interessierten Teilnehmer gestellt.

Insbesondere das Betrachten einer Einzelzelle für zeitweise inhaftierte Jugendliche (Untersuchungshaft oder Arrest) war für einige Teilnehmer ein unfassbares Ereignis, da der Einschluss und die begrenzten Handlungsmöglichkeiten in einer solchen Zelle ein innerliches Unwohlbehagen verursachten.

An die Besichtigung der Hafträume schloss sich die Besichtigung einer Wohngruppe im offenen Vollzug an. Wir konnten nach Zustimmung des Jugendlichen einen Einzelhaftraum besichtigen. Die Gruppe hat Gemeinschaftsräume mit Fernseher und Küche. Hier kommt es auf die soziale Eingliederung in die Gruppe an.

Danach folgte die Werkhallenbesichtigung. Im Bereich der Berufsfelder Bau, Farbe, Holz, Metall und Gartenbau können Fertigkeiten bis hin zur kompletten Berufsausbildung vermittelt werden.

Insbesondere wurde den Teilnehmern hierbei bekannt, dass die Gärtnerei des offenen Jugendvollzuges Göttingen auch Blumen- sowie Gemüsepflanzen und auch Gemüse verkauft.

Es konnten in der Gärtnerei eine Vielzahl von Frühlingsblumen oder Gemüsepflanzen in Augenschein genommen werden, deren Qualität von allen als sehr gut gewertet wurde. Ein entsprechender Flyer für den Pflanzenverkauf 2007 wurde ebenfalls verteilt.

Die Gärtnerei stellt eine der umsatzstärksten Ausbildungseinrichtungen dar.

Nach der Blütenpracht in den Gewächshäusern sind anschließend auch die Räumlichkeiten der anderen 4 Gewerke, Schlosserei, Tischlerei, Maurerei und Malerei besichtigt worden. Hierbei konnte weiteres über diese verschiedenen Ausbildungsrichtungen erfahren werden.

Haftungsrechtliche Fragen verhindern zum Teil die Ausführung von Instandhaltungsarbeiten auf dem Gelände. Deshalb ist es oft erforderlich, dass die Jugendlichen ihre Arbeit nicht vollenden können sondern z. B. das Gemauerte wieder einreißen müssen. In der Schlosserei sind 11 Plätze vorhanden, an denen die Jugendlichen ausgebildet werden können.

Leider ist es zur Zeit, bedingt durch den Rückzug der Bundesagentur für Arbeit aus der Finanzierung von Ausbildungsplätzen in der Jugendstrafanstalt, fast unmöglich in Haft begonnene Berufsausbildungen dort zu Ende zuführen. Diese erfolgversprechende Möglichkeit sieht das Konzept der offenen Jugendanstalt ausdrücklich vor.

Die Besichtigung endete mit einem gemütlichen Kaffeetrinken in der hauseigenen Gastronomielehrstelle.

An dieser Stelle danken wir Herrn Deiseroth noch einmal für seine ausführlichen Erläuterungen im Namen aller Teilnehmer.

Marko Kaspari

Fotos

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Stand: 30.05.2007 © BDIVWA Bezirksverband Göttingen 2010