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Besichtigung FAGUS/GROPIUS



Die Firma Fagus in Alfeld wurde 1911 durch den 51jährigen Carl Benscheidt gegründet. Er hatte sich mit seinem vorherigen Arbeitgeber um die Unternehmenskultur gestritten. Nachdem er in seinem bisherigen Berufsleben als Schuster, in verschiedenen medizinischen Hilfsberufen und zuletzt als technischer Leiter in der Schuhleistenfabrik Behrens in Alfeld gearbeitet hatte, kannte er sich in der Schuhleistenfertigung sehr gut aus. Die neue Firma sollte einen kurzen einprägsamen Namen bekommen. In der Schuhleistenfertigung wird Holz der Buche verwandt. Also lag es nahe, den lateinischen Namen der Buche als Firmennamen zu nehmen.

Die produzierten Schuhleisten entstanden einerseits mittels verbesserter Fertigungsmethoden, andererseits nach neuesten Erkenntnissen der orthopädischen Fußforschung, weil Carl Benscheidt sich ausführlich mit dem menschlichen Fuß beschäftigt hatte.

Für den Neubau seiner Fabrikanlagen gab er den Auftrag an den noch unbekannten jungen (26) Architekten Walter Gropius. Dieser verstand es, die Unternehmensphilosophie des Unternehmers architektonisch umzusetzen. Das von Walter Gropius und Adolf Meyer ab 1911 errichtete Fagus-Werk in Alfeld an der Leine gilt als Ursprungsbau der Moderne.

Es entstand ein Gesamtensemble, das die Architekturwelt aufhorchen ließ. Die Produktionsräume sind lichtdurchflutet. Das Verwaltungsgebäude bekam die berühmte Stahl-/Glasfassade. Für die Beschäftigten wurden im Kellergeschoß helle geflieste Umkleide- und Baderäume geschaffen.

Carl Benscheidt sagte bereits 1911 "Unser Reichtum sind nicht unsere Maschinen und Gebäude, sondern das Wissen und das Können und die Einsatzbereitschaft unserer Mitarbeiter”.

Das (medizinische) Wissen über die Füße und die Erfahrung des Firmengründers im Bereich der Schuhleistenfertigung ließen die Produktion und die Beschäftigung schnell ansteigen. 1920 wurde eine Schuhleistenkopierdrehbank gebaut, die die Grundlage des Maschinenbaus der Fa. Fagus war. Dieser Unternehmensbereich wurde immer mehr ausgeweitet und bildete das zweite Standbein der Firma.

Zur Zeit wird in der Unternehmensgruppe Fagus-Grecon die Schuhleistenfertigung durch die Fa. Fagus und der Maschinenbau durch die Fa. Grecon vertreten. Leiter der Unternehmensgruppe sind 2 Brüder, die in fünfter Generation direkte Nachkommen der Firmengründers Benscheidt sind.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Herstellung von Schuhleisten aus Kunststoff möglich. Die Originale (Mutterleisten) werden aber nach wie vor aus Buchenholz gefertigt, weil am Holz genauer gearbeitet werden kann. Von diesen Originalen werden dann durch maschinelles Kopieren die für die Produktion der Schuhe benötigten Kunststoffleisten gefertigt.

Im Bereich des Maschinenbaus ist die Erfindung der Keilzinkenanlage entscheidend für den heutigen Erfolg. Mit Hilfe dieser Anlagen ist es möglich, aus vielen kurzen Holzstücken mehrere Meter lange Latten oder Verbundleimbinder zu fertigen. Diese Produkte sind stabiler als normal gefertigte Latten oder Balken.

Die Grecon-Elektronik produziert Funkenlöschanlagen (vorbeugender Brandschutz im Bereich der Holzplattenproduktion) sowie verschiedene elektronische Meßverfahren wie z. B.: Dickenmessung, Spalterfrüherkennung, Oberflächeninspektion.

Die Unternehmensgruppe ist sich ihrer Verantwortung bewußt, in einem bedeutenden Baudenkmal tätig zu sein. Als sich in den 80er Jahren herausstellte, daß die Stahl-/Glasfassade saniert werden muß, wurde diese Sanierung in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz sehr behutsam vorgenommen.

In der ehemaligen Werkstatt des Unternehmens ist ein Ausstellungsraum entstanden, der auch für musikalische Veranstaltungen genutzt wird. Das ehemalige Sägewerk ist zu einem Cafe umgebaut, in dem auch kulturelle Veranstaltungen stattfinden. In dem Holztrockenhaus wurde das Technologiezentrum eingerichtet. Unter dem Expo-Motto: “Mensch-Natur-Technik“ erfährt der Besucher im offiziellen Expo-Projekt Technologiezentrum Fagus-Werk alles über den Naturrohstoff Holz, seine Nutzung, den Wald sowie die Geschichte des Fagus-Werkes.

Dieses Zentrum war bereits zur Expo 2000 eingerichtet. Es mußte danach aber für eine vollständige Sanierung vorübergehend geschlossen werden und ist erst seit einigen Monaten wieder zu besichtigen. Folgende Abteilungen sind eingerichtet:

  • Carl Benscheidt - Walter Gropius

  • Baugeschichte und Restaurierung

  • Was Schuhleisten leisten
    Fußgesundheit

  • Hundert Jahre Schuhmode
    (150 Einzelmodelle)

  • Lebendes Denkmal

  • Der Wald: Mehr als lauter Bäume

  • Massivholzverarbeitung
    Ökonomisch, ökologisch und ästhetisch

  • Holzwerkstoffe
    Universell einsetzbar

  • Menschen bei Fagus
    Arbeit und Einsatzbereitschaft

  • Firmengeschichte/Welterbe

Das Gesamtensemble Fagus-Werk ist offiziell für die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes angemeldet.

Herr Schünemann, Leiter der Marketingabteilung der Fagus-Werke, gab uns einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklungsgeschichte und die Verbindung Benscheidt/Gropius. Wir wurden auf die Besonderheiten des Baus wie z. B. die nicht senkrechten Säulen im Verwaltungsbau oder die säulenlose Ecke des Gebäudes aufmerksam gemacht. Besonders hervorzuheben ist auch die unterschiedliche Farbgebung zwischen Sockel und Gebäude, dadurch scheint das Gebäude zu schweben. Im Ausstellungsgebäude konnten wir verschiedene Produkte, die mit Hilfe der Keilzinkentechnik erstellt wurden, besichtigen. Danach haben wir die Produktionshalle der Schuhleisten und anschließend die Fertigungshalle für die Keilzinkenanlagen gesehen.

Verschiedene Ausführungen von Herrn Schünemann wurden durch den anschließenden Besuch des Technologiezentrums vertieft.

Die Teilnehmer aus Hannover und Göttingen waren begeistert über die Fülle der Informationen und werden das Technologiezentrum sicher noch einmal besuchen.
Manfred Scholle

Stadtbesichtigung Alle Fotos der Besichtigung


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Stand: 16.11.2005 © BDIVWA Bezirksverband Göttingen 2010